Liebe Familie, Freunde und Bekannte:

Ich weiss, dass ich seit dem Tod von Manuel nicht mehr pflegeleicht bin. Ich habe grosse Stimmungsschwankungen und stosse manchen von euch ab und zu vor den Kopf. Dieses Gedicht spiegelt meine Emotionen wieder und macht es euch vielleicht etwas leichter, mich zu verstehen.

     
Brigitte

     
Mitmenschen nehmt uns trauernde Eltern an! Gehe behutsam mit uns um, denn wir sind schutzlos. Die Wunde in uns ist noch offen und weiteren Verletzungen preisgegeben. Wir haben so wenig Kraft, um Widerstand zu leisten. Gestattet uns unseren Weg, der lang sein kann. Drängt uns nicht, so zu sein, wie früher, wir können es nicht sein. Denkt daran, daß wir in Wandlung begriffen sind.

     
Habt Geduld ! Wir wissen, daß wir Bitteres in Eure Zufriedenheit streuen, daß Euer Lachen ersterben kann, wenn Ihr unser Erschrecken seht. Daß wir Euch mit Leid konfrontieren,daß Ihr vermeiden möchtet. Wenn wir Eure Kinder sehen, leiden wir. Das "Nie mehr" ist wie ein Schrei in uns, der uns lähmt. Wir müssen die Frage nach dem Sinn unseres Lebens stellen. Wir haben die Sicherheit verloren, in der Ihr noch lebt. Ihr haltet uns entgegen; auch wir haben Kummer! Doch wenn wir Euch fragen,ob Ihr unser Schicksal tragen möchtet erschreckt Ihr.

     
Aber verzeiht:

unser Leid ist so übermächtig, daß wir oft vergessen, daß es viele Arten von Schmerz gibt. Ihr wißt vielleicht nicht, wie schwer wir unsere Gedanken sammeln können. Unsere Kinder begleiten uns. Vieles, was wir hören, müssen wir auf sie beziehen. Ihr vergangenes Leben mit uns zwingt uns zum Vergleich. Wir hören Euch zu, aber die Gedanken schweifen ab.

Nehmt es an, wenn wir von unseren Kindern und unserer Trauer zu sprechen beginnnen, wir tun nur das, was uns drängt. Wenn wir Eure Abwehr sehen, fühlen wir uns unverstanden und einsam. Laßt unsere Kinder bedeutend werden vor Euch, teilt mit uns den Glauben an sie. Noch mehr früher sind sie ein Teil von uns. Wenn ihr unsere Kinder verletzt, verletzt ihr uns. Mag sein, daß wir sie vollendeter machen als sie es waren, aber Fehler zuzugestehen fällt uns noch schwer.

Zerstört nicht unser Bild! Glaubt uns, wir brauchen es so. Versucht, Euch in uns einzufühlen. Glaubt daran, daß unsere Belastbarkeit wächst. Glaubt daran, daß wir eines Tages mit neuem Selbstverständnis leben werden. Euer Zutrauen stärkt uns auf diesem Weg. Wenn wir es geschafft haben, unser Schicksal anzunehmen,werden wir Euch freier Begegnen. Jetzt aber zwingt uns nicht mit Wort oder Blick, unser Unglück zu leugnen. Wir brauchen Eure Annahme.

     
Vergeßt nicht:

wir müssen so vieles von neuem lernen, unsere Trauer hat unser Sehen und Fühlen verändert. Bleibt an unserer Seite !

Lernt von uns für Euer eigenes Leben

     
Erik Bodner

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